Hildegard Winkler: Das erste Mal war ich persönlich 2016 in Gambia. Die „Gambia-Solidarität“ arbeitet aber bereits seit 15 Jahren mit der GAPD zusammen. Es hat lange gedauert, bis ich meinen Kontakt, der per Email aufrechterhalten wurde, durch einen persönlichen Besuch intensivierte. Aber bereits bei meinem ersten Besuch haben mich Westafrika und Gambia gepackt. Das schöne Land hat mich begeistert, besonders die Menschen, die in absoluter Armut leben, aber dennoch eine Gelassenheit ausstrahlen, wie sie den Menschen im übersatten Europa fremd ist, hat mich fasziniert. Fast beschämt hat mich die enorme Gastfreundschaft, wenn ich daran denke, wie unfreundlich hier in Deutschland AfrikanerInnen aufgenommen werden. Deshalb war klar, dass ich von nun an jedes Jahr nach Gambia reisen werde; so war dies meine zweite Fahrt. Da ich meine Fähigkeiten unentgeltlich der Universitätsklinik zur Verfügung stelle und auch kleine Seminare für medizinische Berufe gebe, bin ich Gast der Universität und in einem Appartement der Universität untergebracht. Das ist sehr schön, da ich so mitten in der gambischen Stadt stecke und afrikanisches Leben voll mitbekomme. Touristen sehe ich so keine, und das ist sehr bereichernd.
VOD: Gibt es Ihrer Kenntnis nach in Gambia andere Osteopathen/innen?
Hildegard Winkler: So wie ich es mitbekommen habe, ist Osteopathie in Gambia völlig unbekannt. Es war auch nicht möglich zu erklären, dass ich in Deutschland unter dem Titel „Heilpraktikerin“ arbeite. Für die Gambier war ich schlicht „Dr. Hilda“ und gleichbedeutend mit einer Ärztin.
VOD: Was treibt Sie persönlich zu diesem Engagement?
Hildegard Winkler: Für mich ist das Engagement eine politische Frage. Die reiche Welt – unter anderem Europa – hat eine große Verantwortung für die Zustände in den Ländern Afrikas. Angefangen bei der Kolonisation bis hin zu heutiger Ausbeutung der Länder und Zerstörung ganzer Landschaften und auch großer Wirtschaftsbereiche, ist die Ursache für die Armut und Perspektivlosigkeit zu einem großen Teil bei uns zu suchen. Selbst klassische Entwicklungshilfe findet fast nur statt, wenn die reichen Länder davon profitieren. Mir ist es wichtig, mit den KollegInnen in Gambia auf Augenhöhe zu arbeiten. Es klingt heute schon abgedroschen, aber das Wort von „Fluchtursachen bekämpfen“ ist richtig. In gemeinsamer Arbeit schaffen wir Perspektiven für Menschen dort, damit sie sich nicht in Verzweiflung aufmachen müssen auf einen häufig tödlich endenden Fluchtweg. Denn kein Mensch verlässt gerne seine Heimat, seine Familie und seine sozialen Zusammenhänge. Die Not, für die wir große Verantwortung haben, zwingt viele Menschen in die Migration. Und was sie dann hier erleben, ist für viele der Flüchtlinge hart, wenig wertschätzend und demütigend. Wenn ich nur ein winziges Stück für eine gerechte Welt tun kann, so will ich das tun.
VOD: Ihr Verein unterstützt eine gambische Nichtregierungsorganisation (NGO) beim Betrieb einer in Westafrika einmaligen orthopädischen Werkstatt. Was genau bietet die Werkstatt?
Hildegard Winkler: Tatsächlich ist diese Werkstatt für ganz Westafrika einmalig. Da sie von einer NGO betrieben wird, in Zusammenarbeit mit uns, ist es möglich, dass hier PatientInnen völlig unentgeltlich mit Hilfsmitteln aller Art versorgt werden. Das heißt, nicht nur GambierInnen suchen die Werkstatt auf, auch Menschen aus dem Senegal, Mali und Guinea z.B. Gäbe es diese Werkstatt nicht, wären alle, die für die Kosten der Hilfsmittelversorgung nicht aufkommen können, nicht versorgt, denn so etwas wie ein Gesundheitssystem gibt es in fast allen afrikanischen Ländern nicht. Konkret: Wer sich keinen Rollstuhl leisten kann, muß zuhause im Bett bleiben.
VOD: Was haben Sie persönlich als Osteopathin zukünftig in Gambia vor?
Hildegard Winkler: So lange wie ich noch in Deutschland eine Praxis betreibe, werde ich einmal im Jahr für ein paar Wochen nach Gambia fahren, um weitere Projekte mit unserer Partnerorganisation zu planen und durchzuführen; z.B. wollen wir innerhalb der nächsten Jahre ein Gästehaus bauen, damit die PatientInnen, die lange Wege auf sich nehmen, übernachten können. Osteopathisch werde ich weiterhin meine Fähigkeiten anbieten für alle, die es gebrauchen können und ich werde auch weiter Seminare an der Universität abhalten. Wenn ich mal in Rente gehe und noch irgendwie fit bin, werde ich längere Zeiträume in Gambia verbringen.
VOD: Dann wünschen wir Ihnen dabei viel Erfolg. Vielen Dank für das Interview!