Tobias Billert: Im Kunstturnen ist der Körper durch seine hohen Zug- und Zentrifugalkräfte insbesondere an den Ringen und am Reck, aber auch mit seinen hohen Impact-Kräften zum Beispiel bei den Landungen am Boden oder am Sprung, starken Belastungen ausgesetzt. Durch die hohe technische Komplexität der unzähligen Elemente an den verschiedenen Geräten wird dem Körper zusätzlich ein hohes Maß an Kraft und Mobilität abverlangt. Die Herausforderung für den Osteopathen besteht im Allgemeinen darin, trotz all dieser verschiedenen Einflüsse den Körper in der Homeostase (Gleichgewicht der physiologischen Körperfunktionen) zu halten. Die Verletzungsprävention ist in den letzten Jahren immer stärker in den Fokus der medizinischen Betreuung im Spitzensport gerückt. Die Stärke der Osteopathie sehe ich, natürlich neben der kurativen Versorgung der Sportler, genau hier.
VOD: Welche Probleme treten bei Hochleistungsturnern am häufigsten auf?
Tobias Billert: In der Verletzungsstatistik im Turnen steht die Sprunggelenksverletzung neben Schulter- und Knieverletzungen an vorderster Stelle. Die Verletzungsmechanismen beim Sprunggelenk liegen hierbei hauptsächlich in den Landungen oder in (reaktiven) Absprüngen am Boden, so wie bei Landungen vom Gerät und durch Umknicken, zum Beispiel über Mattenkanten. Bei den Überlastungsschäden im Turnen nimmt die Schulter je nach Statistik mit bis zu 40 % einen vorderen Platz ein. Die Gründe hierfür sind unterschiedlich. Die hohen Beschleunigungs- und Zentrifugalkräfte an den Ringen (bis zum 12-fachen des Körpergewichts) und am Reck (bis zum 9-fachen) spielen hier sicherlich eine große Rolle. Durch den hohen Anteil der akrobatischen Bahnen und der Höchstschwierigkeiten am Boden, haben die akuten Knieverletzungen zugenommen. Ursache hierfür sind unvollständige Längsachsendrehungen, insbesondere bei Kombinationssprüngen, aber auch Überstreckungstraumata zum Beispiel am Sprung.