VOD: Sie und Ihre Kollegen behandeln vorrangig Profis aus dem Bereich des Wintersports: Ski-Rennläufer, Biathleten und Rennrodler. Wie genau können Sie hier mit Osteopathie helfen?
Martin Auracher: Bei den von ihnen genannten Sportlern behandelt man meist akute oder/und chronische Verletzungen. Durch die häufigen Stürze oder Überbelastungen entstehen viele Kontusionen und Distorsionen an den Gelenken und der Wirbelsäule. Dabei kommt ein hoher Impact auf den ganzen Körper, nicht nur auf die primär verletzte Stelle. Deshalb nimmt die Therapie des gesamten faszialen Systems einen wichtigen Part in der Therapie ein. Häufig allerdings mussten wir feststellen, dass trotz qualifizierter osteopathischer Behandlung die Sportler ihre Leistungsfähigkeit nur langsam wiederherstellen konnten. Seit wir das Zentrale Nervensystem mit in unsere osteopathische Therapie einbezogen haben, war eine schnellere Verbesserung des Muskelaufbaus, der Bewegungskoordination und der mentalen Aufmerksamkeit feststellbar.
VOD: Haben Sie ein konkretes Beispiel?
Martin Auracher: Bei akuten Verletzungen kommt es neben den Auswirkungen am Bewegungsapparat auch zu Veränderungen im Bereich des Craniums. In verschiedenen Studien konnte gezeigt werden, dass nicht nur nach Schädelkontusionen, sondern auch z.B. nach Knieverletzungen Veränderungen der Durchblutung des Schädels und des Gehirns stattfinden. Deshalb haben wir die Behandlung der intrakraniellen Faszien, der arteriellen und venösen zu- und abführenden Gefäße und der Schädelsuturen viel stärker berücksichtigt.
VOD: Sie sind seit fast 40 Jahren in der Betreuung von Leistungssportlern tätig, seit 1988 auch bei Olympia vor Ort. Wie unterscheidet sich die osteopathische Untersuchung und Behandlung während der Wettkämpfe von der zu Hause in der Praxis im OsteoZentrum Schliersee?
Martin Auracher: Die Philosophie und die osteopathischen Behandlungsgrundsätze sind die gleichen. Allerdings ist der Zeit- und Erfolgsdruck im Hochleistungssport enorm. Das bedeutet, dass bei den Wettkämpfen vor Ort die Behandlung der Sportler auf die optimale Vorbereitung des Wettkampfes abzielt. Dabei sind die Voraussetzungen oft nicht adäquat, da die Behandlungsmöglichkeiten nicht optimal sind. D.h. man muss teilweise im Hotelzimmer behandeln, und die Athleten sind zwischen Presseterminen, Training und Wettkampf im Zeitstress, usw. Ein großer Vorteil der Behandlung im OsteoZentrum Schliersee ist, dass ich auf ein Team aus Osteopathen und speziell in neurofunktionellem Training ausgebildeten Kollegen zurückgreifen kann.
VOD: Glauben Sie, dass Osteopathie im Leistungssport künftig noch mehr Gewicht erhält?
Martin Auracher: Ja, da bin ich mir sicher. Unsere Medizin wird immer leistungsfähiger und spezifischer. Gerade deswegen ist die Aufgabe des Osteopathen die Funktionssysteme eines Patienten zu untersuchen und zu behandeln. Das funktionierende Zusammenspiel von Bewegungsapparat, biochemischen Aspekten (Organe) und zentralem Nervensystem führen letztendlich zu hoher Leistungsfähigkeit. Diese Anforderung kann die Osteopathie abdecken und ist im Zeitalter einer hohen medizinischen Spezifizierung wichtiger denn je.
VOD: Vielen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg!